Die Entwicklung der konditionellen Fähigkeiten für einen aktiven Athleten im Boxsport umfasst sämtliche Leistungsbereiche, also Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit, Koordination, mentale Fitness, taktisch-kognitive sowie soziale Fähigkeiten. Somit ist ein „gutes“, ganzheitliches Boxtraining immer eine sinnvolle Kombination mit Schwerpunktsetzung auf die für die jeweilige Trainingsphase entscheidenden Bereiche. Die Ausdauer – mittlerweile auch unter dem Stichwort „Energiesystem(e)“ diskutiert – ist nur eine Fähigkeit unter vielen. Gleichwohl wird sie oft als „Kondition“ bezeichnet, dabei bezeichnet dieser Ausdruck die Gesamtheit der sportlichen Leistungsbereiche.
Grundsätzlich erfolgt der Aufbau einer angemessenen Ausdauerleistung bzw. der für das Boxen notwendigen Energiesysteme über das sportartspezifische Training. Zu den Inhalten gehören hierbei fast alle Trainingsmittel, die im normalen Training zum Einsatz kommen, also Sparring, Pratzen-, Partner- und Gerätearbeit. Generell gilt: Je mehr die Trainingsbelastung den Anforderungen des Wettkampfes entspricht, desto effektiver ist das Training. Arbeiten am Sandsack ist also zunächst einmal spezifischer als Laufen im Grundlagenausdauerbereich. Dennoch ist es sinnvoll, an der Ausdauer in separaten Einheiten zu arbeiten. Dies aber mit Maß und Ziel. Schon Alis Trainer Angelo Dundee forderte: „Boxer, lass deine Kraft nicht im Wald.“
Welche Ausdauerfähigkeiten braucht ein Boxer?
Man ist sich in der Trainingswissenschaft mittlerweile einig, dass der Boxer primär auf das „short-time energy system“ angewiesen ist. Sprich: Die Belastungsspitzen im Boxen sind relativ kurz (<10s), dazwischen gibt es immer wieder Phasen „relativer Ruhe“, in denen sich das Energiesystem wieder erholen kann. Neben dem Energiesystem für kurze Belastungen gibt es noch dasjenige für mittlere und das für lange Belastungen. Ich gehe jedoch davon aus, dass diese beiden letztgenannten tendenziell in den Bereich der Grundlagenausdauer hineingehen. Diese sollte bei jedem Sportler, der mit dem Wettkampftraining beginnt, vorhanden sein und entwickelt sich durch das Training „automatisch“ relativ gut mit.
Also halten wir fest: Wir müssen unser Energiesystem auf kurze, wiederholte Belastungen mit Phasen relativer Ruhe und sogar kurzen Pausen vorbereiten.
ROADWORK
Es ist also trainingswissenschaftlich NICHT sinnvoll, „old-school roadwork“, sprich täglich ausgedehnte Läufe im Grundlagenausdauerbereich, zu absolvieren. Trainingswissenschaftlich sinnvoll sind generell kurze, wiederholte Sprints mit maximaler Intensität sowie sportspezifisches Training mit Geräten, eventuell auch Seilspringen. Diesen Ansatz würde ich als „new-school roadwork“ bezeichnen. Als Zwischenfazit sollten wir festhalten, dass Intervallmethoden der Dauermethode für die Bedürfnisse des Boxers überlegen sind. Auch wenn das nach einer Binsenweisheit klingt, zeigt ein Blick in die Praxis, dass oft noch falsch trainiert wird. Läufe im Bereich der Grundlagenausdauer können dennoch ihre Berechtigung haben, etwa als Regenerationseinheiten – auch wenn hier Schwimmen und Radfahren aufgrund der geringeren Belastung der Gelenke der Vorzug gegeben werden sollte.
Was ist zu tun?
Der Fokus unseres Ausdauertrainings im Boxen sollte auf intervallartiger Belastung liegen. Jeder Boxtrainer kennt eine Unmenge von spezifischen Übungen für das eigentliche Boxtraining oder auch komplexere Übungsabläufe, die dann sehr weit in den Bereich „Athletiktraining“ hineingehen, also keine reinen Ausdauereinheiten mehr darstellen. Für das reine Ausdauertraining für Boxer außerhalb des Gyms sind kurze, wiederholte Sprints das Mittel der Wahl. Denn sie sind einfach umzusetzen und hier kann man eigentlich nichts falsch machen. Wichtig ist, die Belastungsdauer kurz zu halten (als Anhalt 100m, eher weniger), die Intensität jedoch nahe am Maximum („Vollgas“). Ein solches Training ist für viele Athleten eigenständig schwer umzusetzen, weil oft die Motivation fehlt, alleine mit dieser Intensität zu trainieren. Gleichwohl sollte ein Athlet auch die Fähigkeit besitzen, sich selbst entsprechend zu motivieren.
Ein für viele leichter umzusetzender Kompromiss zwischen Regeneration und spezifischem Ausdauertraining könnte ein Lauftraining nach der Fahrtspielmethode sein. Dennoch: Am effektivsten ist nur ein Sprint-Intervalltraining, auch wenn man dabei nur wenige Kilometer macht.
Wenn das Ausdauertraining mit anderen Inhalten kombiniert wird (z.B. einige Runden Schattenboxen, Krafteinheit o.ä.) sollte die Ausdauer stets am Ende der Einheit stehen. Die Häufigkeit hängt stark von der Belastung durch andere Trainingseinheiten ab. Ein hochintensives Intervalltraining für die Ausdauer würde ich zwei- bis viermal die Woche empfehlen. Plus Regenerationstraining, Krafttraining, sportartspezifisches Training etc. muss diese zusätzliche Intervention sorgfältig abgewogen werden.
NEW SCHOOL ROADWORK – Beispiele
Einheit A: 10-20x 50m Sprints (evt. am Berg), 30s Pause, dann langsam zum Start laufen und direkt zum nächsten Intervall
Einheit B: 10x 200m Sprints, langsam zum Start laufen und direkt zum nächsten Intervall
Es handelt sich hierbei nur um einige Gedanken – über dieses Thema sind dutzende, wenn nicht hunderte Bücher geschrieben worden.
Zum Weiterlesen sind zum Beispiel diese Artikel sehr empfehlenswert:
http://warriorpunch.com/roadwork-for-boxing/ (allgemein „roadwork“)
http://www.martialartssparring.org/boxing-endurance (Unterschied Ausdauertraining Amateur-Profi)
https://www.harrison-james.com/boxing-1/…/8/50-days-of-hell- (energy systems)
Bei Fragen zu individuellen Trainingsplänen oder Tipps für das Ausdauertraining könnt ihr mir einfach schreiben.